Lapsong hatte uns abends in einem Innenhof untergebracht, der einem Hotel und Wohnhäusern als Parking Area diente. Wir waren wieder der Hingucker. Ich putzte die Minna-Scheiben von innen, nachdem Alex sie schon öfters von außen geklärt hatte. Er unterhielt sich auf Deutsch mit den Chinesen, im Hintergrund ein besonders mürrisch guckender Security man. Als ich fertig war, kam ein Chinese mit einer Schüssel Wasser zum Ausspülen der Lappen. Der Manger vom Hotel. Any problem, we help! (Lapsongs Übersetzung). Später tauchte der Security man mit einer großen Thermoskanne kochendem Wasser für unseren Tee auf. Und am nächsten Morgen noch einmal frisches heißes Wasser zum Frühstück!
Morgens beim Losfahren hält ein Verkehrspolizist Alex an. Er soll an einem riesigen Kreisel eine rote Ampel überfahren haben. Rausfahren. Kontrolle aller Papiere. Kein Wort wegen alter Mann am Steuer. Dann ist alles ok. Er hält den Verkehr auf, damit Alex verbotenerweise in die alte Richtung abbiegen kann.
Unterwegs sehen wir den Paketdienst der Stadt. Ältere Häuser finden sich nicht oft. Es wird unglaublich viel abgerissen und neugebaut. Meist dann sehr hoch. Häufig riesige Wohnanlagen auf einmal, die natürlich erst einmal leerstehen. Der Staub, eine echte Plage hier, wird oft mit dem Versprühen von Wasser aus Tankwagen – zumindest kurzzeitig – gebunden. Am Stadtrand Fischer mit Netzen und Schafe.
Die Chinesen (unsere statistisch unbedeutenden, sehr persönlichen Erfahrungen):
immer eilig, fast immer im engen Kontakt mit ihrem Handy, ernst auf der Straße, selten lächelnd, wenige reagieren mit Neugier auf uns, dann aber mit Begeisterung. Im Straßenverkehr rücksichtslos. Englisch sprechende Chinesen haben wir extrem selten getroffen. Sie sollen es jedoch meist gut lesen und schreiben können, wie uns eine Chinesin erzählte – auf Englisch. Im direkten Kontakt freundlich, hilfsbereit, neugierig, auch hier haben wir unzählige Führungen durch die Minna gemacht.
Und diese riesengroßen Thermoskannen mit Griff zum Gießen, in den schrillsten Farben! Sie halten das Wasser kochendheiß bis zum nächsten Morgen, wie wir in der eiskalten Nacht am Namtso-See feststellen durften. Kann man grünen Tee immer wieder mit auffüllen. Oder so in die Becher gießen. Oder Kakao mit Rum reintun…. Mal sehen.
Wir brechen früh auf und sind am Vormittag in Badaling, der mit 60 km Peking(Beijing) am nächsten liegende Abschnitt der Großen Mauer und daher mit besonders zahlreichen Besuchern versehen. Das Ganze touristisch und altenfreundlich optimiert mit einer Schwebebahn (bayrische Marke bis zur halben Höhe. Der Rest bis zur Mauer ist zu erlaufen.
Wir nutzen sie…
Vorher vergesse ich (erstmalig!) meine Kamera auf dem Klo. Als ich es merke und hinrenne, sucht schon eine junge Frau nach dem Besitzer. Lynette aus Vietnam, die in Ulan Bator ein freiwilliges Jahr bei der Public Health Medical Association absolviert und in Deutschland studiert hat! Wir werden uns in UB treffen!
(Meine Bilder von der Großen Mauer sind weg. Tragisch, es war ein bildschönes von uns beiden dabei. Dafür sind die Nepal-Bilder aus Bakthapur wieder da – leider nun mit historischem Wert. Alex hat noch ein paar Mauerbilder.)
Während der Qin-Dynastie (221-206 v. Chr.) wurden schon vorhandene Grenzbefestigungen zu einem 4100 km langen Grenzwall von 7-10 m Höhe und 3,5 m Breite verbunden.
Der Abschnitt der Großen Mauer in Badling wurde im 16. Jahrh. aus Stein und entlang der Bergrücken gebaut, aufwendiger als die älteren Abschnitte aus Lehmziegeln. Die gesamte Große Mauer ist fast 9000 km lang, aber nicht überall in so gutem Zustand wie an diesem schon 1950 restaurierten Teilstück.
Als wir die Mauer erreichen, sehen wir, dass es steil nach oben geht, ca. 30°. Die Handläufe rechts und links sind schon blankpoliert! Wir ziehen uns hoch, zügiger als unsere Jungs! Oben auf dem höchsten Punkt dieses Mauerabschnittes ist die Aussicht überwältigend. (Das finde ich die ganze Fahrt hindurch offensichtlich immer wieder! Ist halt so). Viele Kilometer weit schlängelt sich die Mauer über Berge und Täler. Was für ein grandiose, aber auch menschenverachtende und letztendlich sinnlose militärische Leistung! Die Große Mauer wurde immer wieder von den Angreifern einfach überrannt.
Dann geht’s nach Beijing!
Wir fahren in die Stadt, die immer größer, höher und breiter wird, je näher wir dem Zentrum kommen. Als wir den Tianamen-Patz erreichen, werden wir mal wieder von der Verkehrspolizei aus dem Verkehr gezogen und parken am grünen Seitenstreifen. Die Traffic Police zieht alle Papiere von uns ein. Streng. Lapsong geht sofort ins Gespräch. Dann kommt die für den Bereich zuständige Local Police dazu. Irgendwann ein erstes Lächeln. Schließlich taucht noch die Foreigner Police auf. Es dauert. Dann erzählt Lapsong, dass irgendwo noch ein ausländisches Auto – da es aufgefallen ist, wird’s wohl auch ein Overlander sein – kontrolliert und festgehalten wird, seit 6 Stunden… Schließlich bekommen wir die Papiere zurück. Eine Stunde, nett verbracht mit Street watching. Die Polizei entschuldigt sich für die Verzögerung! Und wir bekommen als einzige die Erlaubnis, von hier aus unser Auto mit dem Kaiserpalast im Hintergrund fotografieren zu dürfen! Tut Lapsong sofort. Er ist immer sehr bemüht, uns und sich vor allen Sehenswürdigkeiten aufs Bild zu bekommen. Daher diese vielen Doppelbilder von uns. Wird in der Mongolei wieder anders… Das Bild ist leider auch perdu.
Wir parken zentral (!) in einem lauschigen Hotelhinterhof mit Glyzinienlaube und Goldfischteich. Der Manager des Hotels kommt, kriegt eine Minnaführung, wir heißes Wasser aus der tollen Kanne. Das Internet ist nicht gut. Er bietet uns sein persönliches Wifi an und lädt uns zum Versenden des letzen Berichts in sein Büro hinter der Laube ein. Ich bin so dankbar, da ich große Internetprobleme habe, dass er eine Kamelseife für die Gattin erhält. Er ist entzückt und wir bekommen Tee aus der großen Kanne. Mit Nachfüllen!
Wir fahren per Taxi zum Platz des Himmlischen Friedens. Es scheint ein Kongress der verschiedenen Minderheiten stattzufinden, der Platz ist voller Menschen verschiedener Ethnien. Ein Kehrmännchen darf nie fehlen!
Der Tian’anmen-Platz, vorher berühmt, weil er riesig ist, wird von Volkskongresshalle, Mao-Mausoleum, dem gigantischen Nationalmuseum und dem Kaiserpalast eingerahmt. Jetzt ist er vor allem berühmt /berüchtigt. In der Mitte eine Gedenkstätte der Volkshelden gegen Unterdrückung und Imperialismus, dabei die unterdrückte Studentendemonstration von 1919. Die Geschichte wiederholt sich 1989. Alles wird überwacht.
Durchs Tian’anmen-Tor den langen Weg, durch ein dickes Holztor mit blankpolierten Messingbeschlägen zum Mittagstor, dem mächtigsten Torgebäude Chinas, mit seinen drei Durchgängen, der mittlere nur für den Kaiser und als Ausgang für die drei besten Absolventen der höchsten Beamtenprüfung. Die gelbe Farbe der Ziegel steht symbolisch für den Kaiser. Lapsong kauft Karten, Alex guckt, ich plausche mit der alten Dame, die mir erst einen Hocker und dann getrocknete Früchte angeboten hat.
Im anschließenden 1. Innenhof führen fünf weiße Marmorbrücken über den Goldwasserbach. Dann geht’s durch das Tor der Höchsten Harmonie über den 2. Innenhof zur Halle der Höchsten Harmonie, bewacht von großen Bronzelöwen. Vor einer der offenen Flügeltüren drängen sich die Menschen – wie beim Schlussverkauf, das typische chinesische Non-Queuing. Ich will es erleben und stürze mich hinein. Kamera über den Kopf, Foto. Lapsong zieht mich am langen Arm wieder raus.
Um die Halle der Höchsten Harmonie herum gelangen wir zum 3. Innenhof mit der kleinen, sehr schönen Halle der Harmonie der Mitte. Umgeben ist sie auf 2 Seiten von Marmorgalerien, die links und rechts in mehreren Ebenen dreiseitig verlaufen und so zwei kleine Plätze für Aufführungen bieten.
Hinter der den Hof abschließende Halle der Harmonieverwahrungen – für Staatsbankette und ähnliche Kleinigkeiten – führen Marmorstufen von der Terrasse hinunter zu dem abgeschlossenen Frauenbereich.
Zwölf Paläste mit zahlreichen Innenhöfen. 3000 Menschen lebten hier, der Kaiser, ein paar Eunuchen – wohl die Hölle für die meisten Frauen. Und immer wieder Löwen.
Von hier aus ist auch der Wohnsitz und Tempel des Panchen Lamas, nach dem Dalai Lama die zweithöchste geistliche Instanz Tibets, der traditionell einem großen tibetischen Kloster in Peking vorsteht und beim Kaiserpalast seinen Wohnsitz hat. Eine andere Geschichte…
Hier liegt mitten drin auch die Thronhalle der Kaiserin mit toller Kassettendecke voller Drachen, dem Symbol des Kaisers.
Im hinteren Bereich der Palastgarten von 1420 mit ebenso alten Zypressen und Pinien, ungewöhnliche Steinen, Fast–Bonsais, streng symmetrisch angelegt – eher nicht mein persönlicher Gartengeschmack…
Dann liegt er hinter uns, der alte Palast, zeitlos schön, ungeheuer groß, wie gut, dass er die Kulturrevolution überstanden hat. So werde ich die Abfolge der Tore und Hallen wenigstens nachlesen können. (Meine armen Füße!)
Zur Erholung laufen wir noch bis zu einem alten, restaurierten – d.h. nicht mehr so sehr authentischen, aber doch noch sehr hübschen Viertel, natürlich mit langer Kauf- und Futtermeile.
Es sind die Nebenstraßen!
Am Ende fährt mir noch eine regendichte, natürlich elektrische Dreiradkatastrophe vor die Kamera.
Unterwegs zu Himmelsaltar und Himmelstempel gehen wir durch einen kleinen neu angelegten Park. Rollrasen, Große Bäume und blühende Sträucher frisch eingesetzt. Ist hier die Regel und die gehen auch an. Eingesetzte Bäume die nur aus Stamm und Wurzeln bestehen und dann hinterher aus dem Stamm heraus eine neue Krone bilden, sehen wir eher außerhalb der Städte. Dazu noch ein verpennter Drache
Altarterrasse, Kaiserliches Himmelsgewölbe und Halle des Erntegebets liegen in einem riesigen Park. Der Kaiser, Sohn des Himmels, führte hier zur Wintersonnenwende spektakuläre Opferriten durch. Viele Beijinger nutzen den Park zum Frühsport, Musizieren, Malen oder Singen. Es sind vor allem die Rentner, die sich hier zu gemeinsamen Aktivitäten treffen. Lapsong meint auch, dass wir so etwas auch brauchen, wenn wir zurück sind. Also, Rentnerband, bereitet euch vor!
Der Aufgang zur Halle des Erntegebets hat einen schönen Aufgang mit blau bemaltem Holzgewölbe. Der Rundbau mit dreifach blauem Dach (die Zahl drei und ihre Potenzen besitzen positiv, helle, männliche Yang-Qualität wie der Himmel/blau) symbolisiert das Kreisen der Zeit: die vier inneren Hauptsäulen = Jahreszeiten, die zwölf inneren Säulen = Monate, die zwölf äußeren Säulen = Doppelstunden des Tages. Hier wurden die Tieropfer geschlachtet (siehe die Plastikschafe rechts).
Die von der „Echomauer“ umgebene Halle des Himmelgewölbes hat eine dreifach Holzkuppel. Die hier verwahrten Seelentafeln der Ahnen wurden während der Opferzeremonien in blauen Zelten auf dem Hof aufgestellt.
Die großartigste Show lief auf der marmornen Himmelsterrasse ab, die aus drei Ebenen besteht. Zur Verdeutlichung ein Bild, zur Entspannung noch mal die Parkansicht.
Abends bummeln wir durch die Qianmen Dajie, die neo-antik wieder aufgebaute Hauptstraße des 2007 fast komplett abgerissenen alten Hauptgeschäftsviertels von Beijing. Hübsch. Wir lassen uns in einem berühmten Teegeschäft – Lao She – auf eine Teeverköstigung ein. Beeindruckend die unterschiedlichen Qualitäten!
Dann gönnen wir uns im besten Pekinger Bratententempel eine vorzügliche Pekingente. Eine Stunde Wartezeit auf einen freien Tisch, mit Nummer und Fernseher zur Unterhaltung. Die Enten, ohne Beine und Flüge, werden in einem höhlenartigen Feuerloch am Hals um das Feuer herum aufgehängt. Wird was dauern. Wenn sie schön kross sind, werden sie am Tisch in stäbchengerechte hauchzarte Stückchen zerlegt. Dazu gibt’s grüne China-Kohlblätter, Bambusscheibchen, Schälchen mit Sojasoße und Zucker. Die krosse Haut mit Fett drunter, das Highlight, wird in Zucker und/oder Sojasoße gestippt. Köstlich! Wenn’s nicht zuviel wird!
Zum Abschluss noch das beleuchtete Vordere Tor.
Beijing ist der östlichste Punkt auf unserer Strecke. Jetzt geht’s nur noch westwärts.
Im Regen noch etwas Große Mauer und einen optimal genutzten landwirtschaftlichen Transport.
Wir erreichen die Innere Mongolei und eine Stadt, die uns frisch aus dem Boden gestampft zu sein scheint. Jinning. Vier- bis sechsspurige Straßen, kaum ein Auto. Leere Hochhäuser, ein luxuriöses Wohnviertel, etwas bewohnt, es gibt auch andere. Und trotz Leere auch hier die Straßenfeger. Ein 5-Stern Hotel, fast leer und wir auf dem Parkplatz! Das Personal freut es. Unser teuerster Parkplatz mit 80 €, der einzige hier erlaubte Übernachtungsort für Ausländer. Grenzbereich zur Mongolei. Lapsong und Suan wollen sich ein billigeres Bett suchen.
Die Jungens haben kein Frühstück gefunden und freuen sich über Tee und Plätzchen.
Heute geht’s zur Grenze nach Erlianhaote. 340 km schon flaches sandiges Land. Es ist sehr windig. Der Sand wandert.
Ein Schild, von dem Alex meint, es warnt vor Schafen!? Und dann sehen wir in dem sandigen Boden Gemüseanbau im Großformat. Na ja.
Kurz vor der Grenzstadt Erlianhaote plötzlich Dinosaurier im Gelände. Dass in der Gobi aufsehenerregende Dinosaurier gefunden wurden und werden, wissen wir. Aber hier auch?
Die Stadt liegt 5 km von der Grenze entfernt. Läden haben neben der chinesischen auch mongolische Beschriftungen.
Die Straßenzüge sind auch hier neu und großzügig. Altes ist eher selten zu sehen.
Wir parken hinter dem Hotel. Der Container wird nicht abgefackelt, wenn er leer ist, sondern abgeholt!
Lapsong hat einen extra Agenten hier, der sich den ganzen Nachmittag um den Papierkram für unseren Grenzübertritt kümmert. Wir haben Hunger und finden um die Ecke ein kleines Restaurant voller Mongolen mit leckeren Dumplings frisch aus dem Wasserdampf. Lapsong guckt erstaunt, als er dort auch eintrifft. Wieso eigentlich??
Nach dem Essen kaufen wir in einem kleinen Laden noch ein. Gemüse, zwei große 5-Literkanister Wasser, die wir gern zum Kochen benutzen, Eier.
Am nächsten Morgen beim Frühstück gerinnt die Milch in Alex‘ Tee. Neue Tasse Tee, neue Milchflasche. Die Milch gerinnt, der Tee schmeckt abartig. Neues Teewasser aufgesetzt, frische Teepackung und nächste Milchflasche geöffnet. Keine Besserung. Ich rieche am Tee, dann am großen Wasserkanister.
Wir haben unseren Frühstückstee mit Schanps aufgesetzt! Beide Wasserkanister enthalten Schnaps und beim Bezahlenist uns nicht mal der Preis aufgefallen!
Statt das Zeug den Mongolen zu schenken, hinterlassen wir die Kanister dem Hotel am Container. Das sollen die Chinesen selber entsorgen – oder verwenden….
Dann geht’s zur Grenze. Der aufwendige Papierkram wird akzeptiert. Für meine Carnet de Passage-Exit-Stempel muss ich mich stark machen, bekomme sie aber.
Wir verabschieden uns von Lapsong und Suan. Die tolle Zeit mit ihnen werden wir nicht vergessen. Wir haben viel gelernt und erlverbracht.ein gutes Team.
Das war China!