Morgens erklärt mir Sergej noch die Wodka-Brennanlage und serviert uns ein Glas des Selbstgebrannten. Wir hatten schon gefrühstückt…
Unterwegs repariert Alex an der Minna noch ein herunterhängende Positionslicht.
Auf dem Weg zur Grenze kaufe ich noch vier Pfirsiche, zehn Aprikosen, zwei Feigen und einen 500ml Becher voller Brombeeren, das Ganze für 2,60 €..
Geschlafen geschlafen
Der Grenzübertritt nach Georgien erfolgt außerordentlich zügig. Wir müssen leider eine neue Autoversicherung für 15 Tage kaufen, die alte war abgelaufen. Wir wollen direkt von der Grenze aus zum berühmten Kloster David Garedzha an der Grenze zu Aserbaidschan. Unser Navigator (das Navi-Programm auf dem Tab) schickt uns von Marneuli den direkten Weg nach Rustavi. Weiße Straße, was in diesem Fall bedeuteten, Asphaltstraße, zunehmend von Gras durchwachsen, immer löchriger werdend, plötzlich unterbrochen durch tiefe Löcher. Neben der Straße tauchen Fahrzeugspuren auf. Wie in der Mongolei. Wir fahren Piste! Die Landschaft ist baumlos, strauchlos, aber grün. Wir sehen große Rinderherden, fahren an den verfallenden Gebäuden wahrscheinlich einer früheren LPG vorbei. Schließlich ein paar Häuser, Sowjet-Stil, alte Baumaschinen, ein paar Rinder, Hühner. Wir brauchen für die ersten 27 km anderthalb Stunden. Aber schön war es doch!
In Rustavi fahren wir an den Fluss Kür, um Namkha zu wässern. Vom gegenüberliegenden Ufer kommen einige Kühe durchs Wasser auf uns zu und Namkha hat nach die Begegnung der unheimlichen Art. Irgendwie findet sie die Viecher doch interessant, genau wie ich.
Es ist heiß. Ein Taxifahrer, neben uns, der sich gerade seine Angelhose anzieht, erklärt uns auf Nachfrage, dass man nicht direkt auf diesem Kurs zum Kloster weiterfahren kann, sondern an Tiflis vorbei über Sagarejo fahren muss. Ich bekomme einen akuten Anfall von Monastery Disease und wir beschließen, direkt nach Telavi hoch zu fahren, um die Alazami-Ebene zu sehen. Erst ein Stück Autobahn, und dann geht es in die Berge hoch. Es wird angenehm kühl und wir übernachten mit 1633 m auf dem höchsten Punkt am Straßenrand ganz allein.
Frühstück am Weg mit Namkha an der Leine. Sie verbringt eine gute Stunde damit, sich in die Tiefe der Wiese zu graben.
Der Himmel ist bedeckt, angenehme 20°, wir genießen es! Auf dem Weg nach
Telavi schauen wir uns das kleine Kloster Dzveli Shuamta an, im sechsten Jahrhundert gegründet, das derzeitige Gebäude stammt aus dem 16. Jahrhundert. Es liegt in einer schönen Anlage, ein paar schöne Fresken und ein paar alte Nägel. Durch eine grüne Allee geht es weiter zum Koster Akhali Shumanta, in dem wieder Nonnen leben. Es liegt in einer großen Gartenanlage. Beine und Kopf sind zu bedecken, Fotografieren ist verboten. Ich klingele und warte an der Pforte, dass mich eine Schwester abholt. Der Innenhof ist mit Blumentöpfen und großen Rosenbeeten geschmückt. Die schöne Kirche besteht aus Ziegeln. Eine Nonne in schwarzer Kleidung mit Haube und Schleier, die nur das Gesicht freilässt, führt mich hinein. Reste von wunderschönen alten Fresken sind zu sehen, viele Ikonen. Beeindruckend. Das Kloster wurde 1550 von Königin Tinatin gegründet.
Auf dem Parkplatz trifft Namkha einen freundlichen Straßenhund. Sie spielen, wir füttern und tränken. Der hat vielleicht Hunger!
In Telavi fallen uns die vielen Brunnen auf. Da wir uns hier in Kachetien, dem bekanntesten Weinbaugebiet Georgiens, befinden, will ich natürlich was davon haben! Wir fahren nach Kisißchewi ,ein kleiner Ort südöstlich von Telawi, zum Weingut Schuchmann und speisen fürstlich, natürlich mit den dazugehörigen alkoholischen Empfehlungen! Danach gibt es Latte Macchiato, der mit Blick auf das Tal des Alazami auch nicht schlecht ist.
Auf der Suche nach einem Fluss für Namkha kommen wir nach Napareuli, zu einem anderen bekannten Weingut, aber doch nicht so dolle wie das erste (deutsche). Dafür haben sie ein hübsches Weinbaumuseum. Ich lerne, dass die großen Weinfässer, die wir immer wieder gesehen haben, in der Erde gelagert werden.
Wir fahren weiter nach Akhmeta, ein kleiner Ort mit einer Gas-Tankstelle. Der Rest ist vergangene Sowjetpracht. Und von hier aus weiter über eine weiße Straße (wie immer voller Überraschungen) weiter nach Tianeti. Erst Asphaltdecke, dann Schotter mit bindigem Boden, das Ganze durch Regen ziemlich schmierig. Die Straße/Weg ist zum Teil weniger als einspurig, es geht rauf und runter, Wagen kommen entgegen, meistens alte Mercedes mit coolen Jungmännern am Steuer, die auch gerne überholen. Das Ganze ist in den Steigungen fordert das Äußerste von der Minna, da sie kein Allrad hat. Alex hat gut zu tun. Auf einer flacheren Stelle mit breitem Schotter stellen wir die Minna am Straßenrand mit Parkblick ab und gehen schlafen.
Morgens haben wir 18° in der Minna, zwei mehr als die Außentemperatur! Bei mir gibt es wieder lange Hose, Alex bleibt bei der kurzen. Tianeti hat zwei Banken, einen super Supermarkt und die Straße bleibt normal. Die Landschaft wird nun offen mit Blumenwiesen, Baumalleen, viel weiter Himmel. Wir fahren von 1200 m jetzt runter auf 400. In Zhinvali stoßen wir auf die berühmte georgische Heerstraße, die alte Verbindung zwischen Russland und dem Südkaukasus, genauer Tbilisi/Tiflis. Frühstück am blauen Stausee, wir treffen ein paar Motorradfahrer aus Polen. Sie sind mit dem Flieger gekommen und fahren in Georgien herum.
Und jetzt die Heerstraße Richtung Grenze hoch! Diese Straße ist 207 km lang und folgt dem Flusslauf der Aragwi und des Tergi.
Auf einem Hügel am See liegt die Festung Ananauri. Die Fürsten dieser Festung kontrollierten das Tal, keiner von ihnen starb eines natürlichen Todes… Männer!
Der nächste Ort war als Kurort zur Sowjetzeit sehr beliebt. Passanauri hat als einziger hier an der Heerstraße zwei Straßen. Diese alte Pracht ist ziemlich runtergekommen, wir sehen noch ein schönes Haus, das aus schräg aufgestellten großen Ziegelsteinen gebaut ist.
Der Aragwi ist so wild, dass Drafting angeboten wird. Der Fluss, wie so viele andere, die wir schon gesehen haben, muss zur Zeiten der Schneeschmelze riesig breit und tief sein. Während der anderen Zeiten wird offensichtlich der Kies auch anderweitig genutzt. Hier wird er sogar schon beim auf Laden gesiebt.
Auch hier gibt es Wehrtürme, aber im Gegensatz zur Svanti-Region haben sie hier flache Dächer und so viele scheinen auch nicht mehr zu existieren.
Unterwegs bieten Frauen selbst gestrickte Socken, Fellmützen oder Honig an. Vom kleinen Ort Kwemi Mleti an muss die Straße 1000 Höhenmeter überwinden, 18 Serpentinen von 4-7 % Steigung (lächerlich! Wir sind hier schon 12 % hochgefahren!).
Durch die immer wieder aufreißende Wolkendecke ist der Eindruck der Landschaft dramatisch.
Es geht weiter nach oben. Gudauri liegt auf 2106 m und ist der beliebteste Wintersportort Georgiens. Hier fallen noch anderthalb Meter Schnee, es können auch mal fünf sein. Die Straße fällt wieder ein wenig ab, es gibt etliche Lawinenschutztunnel. Einen stockfinsteren – auf Kühe gefasst – müssen wir natürlich durchfahren.
Auf halber Höhe sehen wir eine fast kreisförmige Aussichtsplattform in der Landschaft liegen. Im Innenkreis sind auf Kacheln Darstellung der georgischen Geschichte zu sehen. Das Ganze diente dem 200. Jahrestag des Traktats von Georgijewsk. War wohl was wichtiges.. Ein sagenhafter Ausblick in das Tal des Aragwi. Auf dem steilen Felsen steht ein Mensch! Und jetzt haben wir den 2379 m hohen Kreuzpass, die höchste Stelle der Heerstraße erreicht. Hier beginnt die kleine Provinz Chewsuretien. Beim Runterfahren kommen wir an einem Gletscherausläufer vorbei. Dann gibt es mal wieder eine Baustelle, der Verkehr der einen Seite steht, schon bildet sich die zweite und dritte Reihe, auch im Gegenverkehr. Der Bauarbeiter mit der Fahne bemüht sich nicht sehr, das Chaos zu richten. Irgendwie geht es dann doch wieder weiter.
Ich habe im Internet zufällig die Reisebeschreibung eines Fahrers mit einer roten Minna gefunden. Der hatte von einem wunderschönen Tal mit bunten Verfärbung des Bodens durch Mineralien geschrieben. Und was die rote Minna konnte, kann unsere grüne auch! An der Siedlung Kobi gegenüber der Polizeistelle biegen wir daher nach links in eine schlechten Weg ab und fahren an eine Kirche – in progress befindlich – vorbei.
Die Straße wird spannend! Es geht an ein paar alten Häusern und einem zerfallenen Wehrturm vorbei. Unterwegs treffen wir einige Wanderer. Pieter-Jan aus Flandern und Alexiane aus Frankreich. Wir bieten ihnen ein Lift ins Tal der Mineralien an, trinken erstmal zusammen Tee und fangen an, zu erzählen. Dann geht’s weiter. Die Berge sind hoch, die Schlucht ist eng, der wilde Fluß tief. An einer Stelle ragen Felsplatten fast waagerecht aus der Wand heraus. Schiefer? Der Weg stellt eine ganz schöne Herausforderung dar, Alex ist hochzufrieden.
Vor uns alte Stein/Ablagerungen wie Gletschereis, kleine Wasserläufe führen über den harten Boden. Namkha springt drin herum. Ein wunderschönes Tal, von der Sonne und jagenden Wolken beschienen. Am Hang ein Schild, das auf Tee und Kaffee hinweist, angeboten weiter oben.
Wir folgen dem Verlauf des Tals nach rechts. Das Ufer des Flusses und die Sandbänke darin sind gelb und rot verfärbt. Wir steigen aus und bewundern diese Farben in der grün-grauen Landschaft! Weiter unten am Fluss grasen ein paar Esel. Namkha sieht sie, rast mit Gebell den Hang hinunter, die Esel suchen das Weite im Galopp und unser Köter hinterher. Namkha, the donkey hunter! Sowas von peinlich! Es wäre pädagogisch so wertvoll gewesen, wenn einer der Viecher ihr eine verpasst hätte! Hat jedoch wohl keiner gesehen. Alexiane und Pieter-Jan kriegen sich nicht wieder ein! Die beiden wollen zu Fuß zurückgehen. Wir tauschen noch verschiedene Kontaktmöglichkeiten aus und fahren dann allein weiter. Tolle Begegnung!
Am anderen Flussufer liegt ein alter Wehrturm. Der Weg führt uns weiter durch ein verfallenes Dorf, ein paar Häuser sind bewohnt, die Kühe werden gemolken, die Menschen grüßen freundlich. Hinter dem Dorf muss die Minna über eine erste Brücke fahren, vor der das Schild fehlt „über 3,5 t verboten“. Die zweite Brücke folgte kurz danach, auch in zweifelhaftem Zustand.
Ein hoher offensichtlich restaurierter Wehrturm, daneben ein schönes aus Holz und Steinen erbautes zweistöckiges Haus. Vom Fluss her kommen zwei Nonnen auf und zu. Ein Nonnenkloster!
Wir fahren noch ein Stück weiter hoch und erreichen ein Steingebäude, ein paar Hunde davor, zwei Männer kommen raus. Einer trägt grüne Kleidung und redet mich auf georgisch an. Per Übersetzer-App versuchen wir herauszubekommen, was er mir sagen will. Klappt nicht. Er macht den Reißverschluss seiner Jacke auf und zeigt auf sein T-Shirt: Border Police. Alles klar! Wir verabschieden uns und drehen ab. Wir befinden uns in dem Grenzwinkel zwischen Russland und Südossetien, das sich von Georgien abgeteilt hat. Wir fahren langsam zurück und stellen uns an das Mineralienufer. Das späte Nachmittagslicht bringt das Tal zum Leuchten! Namkha erschnüffelt alles, ich genieße, später gibt es Pasta carbonara. Wir sind auf 2500m. Dieses Tal und der Weg dahin sind einer der Höhepunkte unserer Reise!
Morgens ist es 10° kalt! Die Sonne scheint und wir machen die Heizung an. Ich schreibe, die Zeit vergeht, die ersten Wanderer tauchen auf und kommen alle bei uns vorbei!
Vier junge Münchener, zwei Mädels aus Köln, die wir bestimmt wiedersehen werden. Sie wollen weiter nach Norwegen und wir werden uns viel zu erzählen haben.
Es folgt ein Geländewagen mit einer Holländerin, die sich gestern den Fuß verstaucht hat, reiseerfahren und sehr begeistert von unserem Minna. Sind sie übrigens alle, die vorbeischauen. Es tauchen auch der Rest ihrer Reise Gruppe zu Fuß auf. Dazu vier Amerikanerinnen, die völlig aus dem Häuschen geraten vor Begeisterung, als sie die Karte unserer großen Reise sehen. Ich empfehle wie immer besonders, in den Iran zu fahren, am besten jetzt oder sonst in sechs Jahren. Oh no, in zwei Jahren! Oder besser in einem Jahr, dann ist er im Knast!!! Dann noch vier mittelalte Motorradfahrer aus dem Harz, die aus Deutschland gekommen sind und natürlich auch zurückfahren, das Ganze in drei Wochen! Ein junger Reiter, der uns zum Tee oben am Berg einlädt, wir versprechen, in 2 Stunden zu kommen. Später kommt er mit seiner kleinen Schwester noch mal vorbei, um sich zu vergewissern, dass wir wirklich kommen. Tun wir. Jetzt!
Wir folgen dem Tea and Coffee-Schild. Drei Zelte, mobile Tierhaltung. Ein kleines Holzhäuschen, das Cafe. Unser Reiter – Astran – führt uns zum Zelt seiner Mutter. Innen ein Podest mit Teppich bedeckt, ein Tisch mit Bank davor, ein Herd mit Töpfen, ein Regal mit Geschirr und Spitzenvorhang. Alles blitzsauber und aufgeräumt. Wir setzen uns an den Tisch, noch mehr Kinder, alle gehen sehr liebevoll miteinander um. Die Mutter bringt Brot, schnittfeste Sahne, wie clotted cream, Käse, Joghurt – alles selbstgemacht. Dazu Cay. Köstlich! Wir reden ein bisschen englisch, was Astran neben georgisch und russisch in der Schule lernt. Die Familie sprechen Arsi oder so ähnlich. Es sind georgische Aserbaidschaner. Von Juni – September lebt die Familie mit ihren Schafen und Ziegen hier oben. Im Herbst werde die Tiere per LKW nach Rustavi geschafft und dort verkauft. Ich vermute, sie behalten entweder Muttertiere oder Nachzucht. Im Winter leben sie unten in Kobi, die Kinder gehen dann dort zur Schule. Wir wollen wegen dem Weg doch vor der Dunkelheit noch nach Stepansminda (der alte und jetzt wieder neue Name von Kazbegi), der letzte Ort vor der Grenze und verabschieden uns. Wir wollen für die Kinder Geld darlassen (elegant für bezahlen). Es wird akzeptiert. Ich habe nur noch 10 Lari, erwartet wurden 20. Aber es ist ok. Die ganze Familie besichtigt noch die Minna. Alex entdeckt, dass er sich den Doppelreifen hinten links aufgeschlitzt hat, wohl an einem scharfen Stein. Mit dem heilen inneren Doppelreifen kommen wir noch langsam ins Tal. Dann ist Wechsel und Reparatur angesagt.
Astran hätte gern mein Handy und ich schenk ihm mein altes Ersatzhandy. Alex hat noch ein Ladegerät über. Er freut sich richtig. Die Mutter gibt uns noch von dem leckeren Käse und der Sahne mit. Herzliche Verabschiedung, dann fahren wir langsam die Ruckelstrecke zurück ins Tal.
Was für eine Erfahrung!
Vor Stepansminda finden wir eine Reifenwerkstatt, aber schon zu. Morgen werden wir wiederkommmen.