Danzig, die ehemalige Hauptstadt von Pommern. Heute heißt sie Gdansk.
Diese Stadt hat eine unvorstellbar wechselvolle Geschichte hinter sich. Vorgänger-Polnisch, dänisch, polnisch, deutsch, polnisch, deutsch, ein bisschen französisch, deutsch polnisch, deutsch und zu guter Letzt endgültig polnisch.
1224 erhielt Danzig als deutsche Kaufmannssiedlung vom pommerschen Herzog Swantopolk (klingt ja nicht so deutsch!) die Stadtrechte. 1308 geriet sie in den Besitz des deutschen Ordens. 1410 schloss sie sich Polen an. Deutsche und Polen stritten sich mächtig um die Stadt, die eine der bedeutendsten Hansestädte war und nach dem Fall Konstantinopels durch den Handel mit Brotgetreide aus dem Südosten Europas in den Norden und Westen enorm reich wurde. Ihre Selbständigkeit konnte sie lange bewahren, sie ließ sich nicht einmal vom gefürchteten Gustav II. Adolf von Schweden einkassieren. Dann versuchten es die Deutschen noch mal, vergebens. 1772 teilten Preußen und Österreich Polen untereinander auf. Danzig war polnisch, aber von preußischem Gebiet umgeben. Bei der 2. Teilung Polens 1793 ging Danzig an Preußen. 1795 teilten Preußen, Österreich und Russland Polen vollständig unter sich auf. Das Land verschwand von den damaligen Landkarten. Danzig wurde preußisch. 1806 prügelten sich Großbritannien, Schweden, Preußen und Frankreich. Die Franzosen eroberten Danzig, Nach dem Desaster Napoleons vor Moskau retteten sich die Franzosen auf dem Heimweg in die Stadt. Die Russen hinterher, belagerten mit den Preußen und Engländern die Stadt, besiegten sie und zogen mit allen Franzosen als Gefangene nach Russland wieder ab. Nach dem Wiener Kongress 1814/15 entstand wieder das Königreich Polen mit dem russischen Zaren als König. Die Danziger wurden mal wieder preußisch. Ethnische Zugehörigkeiten waren sowieso allen wurscht. Nach dem 1. Weltkrieg 1918 wurde Polen endgültig selbständig – die Gründung der Republik – und Danzig Freie Stadt. 1939 wurde sie jedoch von Hitler wieder besetzt. 90 Prozent der jüdischen Bevölkerung konnten emigrieren, der Rest wurde deportiert, ebenso die polnische Minderheit in Danzig. 1945 legten die Russen Danzig in Schutt und Asche. Seitdem gehört die Stadt endgültig zu Polen. Der Wiederaufbau der Stadt nach alten Vorbildern begann bald danach.
Anfang der 80er Jahre begann die Gewerkschaft Solidarnosc auf der Lenin-Werft in Gdansk ihren Widerstand gegen die kommunistische Moskau-treue Regierung Polens, der letztendlich in der Glasnost- und Perestroika-Ära Gorbatschows mit zur Auflösung der Sowjetunion beitrug.
Geht es uns doch gut heutzutage! Klare Verhältnisse, die EU, keine Kriege! Frieden seit über 70 Jahren!
Im Außenbezirk von Danzig sehen wir plötzlich ein Ikea-Bau. Hin, Hocker suchen. Ist nicht, aber dafür nehmen wir Köttarbullar mit. Wieso hat meine Reiseführer behauptet, die Altstadt von Danzig wäre nicht so dolle? Wir fahren trotzdem rein und begegnen auf den Weg in die Stadt immer mehr schönen alten Gebäuden. Am Erdbeermarkt, dicht an der Altstadt finden wir einen Parkplatz für unsere Minna. Und dann laufen wir kreuz und quer durch die wunderschöne Hanse- Altstadt mit ihren beeindruckenden (wieder aufgebauten) mittelalterlichen Häusern und Kirchen. Die Mariacka-Straße mit ihren Vorbauten entlang, die vor Hochwasser schützen sollten, hinunter. Wir setzen uns auf eine Terrasse und genießen das Ambiente, die Menschen, den Kaffee – eben das Leben! Die Marienkirche, der Dom von Danzig, mit der Frauenkirche von München die zweitgrößte Backsteinkirche der Welt. Der Bau begann 1343 und wurde 1502 fertig. Der Kölner Dom hat länger gebraucht… Die Marienkirche bietet mit 105 m Länge und 66 m Breite Platz für 25.000 Menschen, der Kölner Dom dagegen mit 145 m Meter nur 4000 Sitzplätze. Der riesige Backsteinbau wird gerade renoviert, aber wir können einen kurzen Blick hinein werfen. Innen wirkt die Kirche gewaltig und unglaublich hoch. Sie ist erstaunlich schlicht gehalten.
Als wir rauskommen, begegnen wir unseren deutschen Nachbarn vom See in Ostpreußen mit ihrem braunen Hund! Noch ein ungewöhnliches Wiedersehen! Sie empfehlen uns sehr, die kleinen Straßen hinter der Altstadt anzuschauen. Machen wir. Vorher spazieren wir noch durch die Dluga-Straße, die alte Danziger Prachtstraße, durch die auch die polnischen Könige gezogen sind. Wir können uns einfach nicht satt sehen an der Pracht dieser Altstadt, die ja hier eigentlich die Rechte Stadt heißt. In den angrenzenden Straßen mit weniger Touristengetümmel erleben wir ein wenig den Alltag der Danziger. Es gibt so viel zu schauen… Irgendwann kommen wir wieder bei der Minna an. Als wir aufschließen, steht plötzlich Ludwig, der Göttinger, neben uns. Das ist nun das vierte Mal, dass wir uns treffen! Ab in die Kneipe und dann wird erzählt.
Viel später fahren wir auf der Suche nach der Lenin-Werft, von der 1980 die Solidarnosc-Bewegung unter der Führung des Elektrikers und späteren Staatspräsidenten Lech Walesa ihren Ausgang nahm, in den Hafenbezirk. Wir verfransen uns immer wieder, eigentlich müssten wir schon davor stehen. Als wir zwei junge Männer mit Motorrädern fragen, weiß der eine gar nicht, was wir meinen. Der andere schickt uns zurück in die Stadt. Wir geben auf. Aber wir waren im Hafen! Später beim Verlassen sehen wir noch das hohe Denkmal zur Erinnerung an die toten Werftarbeiter des Aufstandes von 1970, als im Winter plötzlich die Preise für Lebensmittel und andere Dinge des täglichen Lebens enorm anstiegen.
Plötzlich sehen wir an zwei alten Hafengebäuden Schilder für eine Musikveranstaltung. Party! Wir hin. Eine bunte lustige alternative Szene mit Street Food, farbenprächtiger Kinderbetreuung, verrückte Bars, Ausstellung in den alten Hallen, toller Musik und den passenden Leuten dazu, wir mittendrin! Wir haben Spaß! Später treffen wir noch einen alten Fiat Polski, mit dem fährt dann einer der Freaks ab.
Wir wollen die Danziger Bucht umrunden, unser Ziel ist die Spitze der Halbinsel Hel. Schnell stellen wir fest, dass wir in Zoppot, dem alten Badeort Danzigs, vor lauter Bauten kaum das Wasser sehen können. Gdynia ist ähnlich, wir geben Gas. Erst hinter Wladyslawowo, als wir auf die lange schmale Halbinsel fahren, kommen wir aus dem Häusermeer raus. Aber diese Idee haben auch eine Menge anderer Leute. Hier ist Strandurlaub von oben bis unten. Mittendrin finden wir einen kleinen grünen Parkplatz mit einem noch kleineren Strand. Die Sonne geht langsam unter – Abendbrot. Unser Hund will noch einmal Scheibe fangen – im Licht der Taschenlampe… Am nächsten Morgen fahren wir weiter zur Spitze von Hel.Ein hübscher kleiner Ort, aber Massen von Touristen, alles zugebaut, eingezäunt, Hunde verboten, Parkplatz nicht zu sehen. Wir drehen um und machen uns auf den Heimweg.
Bei Polen haben wir das Gefühl „Ist ja nicht so weit weg, fahren wir später noch einmal hin“. Was uns hier in Polen auffiel und auffällt, ist, dass die letzten Häuser direkt hinter der Grenze verschwanden, wir jede Menge westeuropäischer Geschäftsketten sehen, sehr viel neu gebaut wird und wir nicht so viele Englisch sprechende Leute treffen. Ich habe die tollsten Erinnerungen an meine Polenbesuche!
Wir rauschen die Straße parallel zur Ostseeküste entlang und nehmen bei Lebork/Lauenburg zwei junge Anhalter mit, Studenten aus Warschau. Einer kann gut Englisch, der andere Deutsch, beide verstehen ein bißchen von der anderen Sprache. Das gibt eine angeregte Unterhaltung! In Köslin setzten wir sie bei McDonalds ab – da gibt’s immer Wifi…
Unterwegs kauf ich noch Pfifferlinge am Straßenrand. Eigentlich wollen wir uns die Altstadt von Stettin anschauen, die auch sehr schön sein soll. Aber wir finden einfach kein Parkplatz für die Minna. So geht’s dann wieder raus aus der Stadt, wir drehen Runden durch die hintersten Ecken der Stettiner Industriegebiete – da gibt es wirklich obskure Häuser und Arbeitsplätze. Wir beschließen, uns an die Oder zu stellen. Und erleben noch ein letztes kleines Abenteuer. Wir fahren nach Navi durch immer kleinere Straßen an immer kleineren Dörfern vorbei, zuletzt durch einen zugewachsenen Schotterweg, der so eng ist, dass die Zweige der Bäume über die Windschutzscheibe schleifen und die Eicheln nur so aufs Dach trommeln. Dann stehen wir auf dem Damm, unter uns der Fluss, auf der anderen Seite liegt Deutschland. Es regnet. Die Oder ist breit und schnell – ein Grenzfluss. In einer Lücke im Schilfgürtel liegt ein Ruderboot.
Unser letzter Auslandsabend! Alex repariert im Dunklen noch die Düse der Scheiben-wischeranlage, indem er sie mit doppelseitigem Klebeband befestigt. Hält! Wir duschen und trocknen vor uns hin Es gibt Reste-Essen: Pfifferlinge mit Pasta und Köttarbullar, darüber rotes Basilikum. Anschließend Heidelbeeren mit Sauercreme und auf Wunsch Honig dazu. Wir wünschen… Und schlafen prächtig mit vollem Bauch, trotz Regengetrommel.
Das letztes Frühstück und wir fahren wieder in die Zivilisation. Vorbei an einem alten Gutshof, dann zum letzten Ort vor der Brücke nach Deutschland. Er heißt Greifenhagen! Man spricht auch Deutsch. Noch einmal günstig tanken, ein paar letzte Pasteti kaufen.
Und dann über die alte Kopfsteinpflaster-Straße und die Brücke wieder in die Heimat.Durch die ländliche Uckermark fahren wir Richtung Satzkorn. Schön hier! Ein Mercedes mit Aachener Kennzeichen überholt uns wild hupend. Noch einmal Birken. Irgendwann tauchen wir wieder ein in die Familie.
Es war ein wunderbarer Sommer und eine großartige Reise durch so viele verschiedene Formen von Sich-europäisch-fühlen! Sie zu beenden fällt uns richtig schwer. Aber bald geht’s ja wieder los!
Wir werden einige der Menschen, die wir unterwegs kennengelernt haben, wiedersehen und freuen uns jetzt sehr darauf!