Frühmorgens Aufbruch zur Grenze. Eine der Frauen der Verkaufstrasse ist schon da und winkt uns zum Abschied zu. Die Straßen sind nicht gekennzeichnet, wir fahren über die Ringroad, verfahren uns nach Bhaktapur. Zurück. Fragen. Man schickt uns hin und her. Alex dreht die Minna klaglos und perfekt auf engsten Strassen. Schließlich stimmt die Richtung. Wir steigen höher und höher. Die Strasse bietet wunderschöne Ausblicke.
Wir frühstücken unterwegs. Winzige Blechbude mit toller Terrasse.
Die Strasse wird zwischendurch richtig schlecht.
Wir überqueren 2000m, es geht wieder runter. Wir treffen auf chinesischen Tunnelbau.
Nach acht Stunden erreichen wir Kodari unten am Grenzfluss – 130km… Eng, staubig, voller Lasterträgerinnen, die das Gepäck der Mount Everest-Touristen schleppen. Die zahlreichen westlichen Touristen im Bergsteiger-Outfit nehmen uns nicht zur Kenntnis, grüßen nicht einmal zurück.
Bei der nepalesischen Grenzabwicklung nehme ich lokale Hilfe in Anspruch. Ohne den jungen Mann hätte ich Grenzpolizei und Zoll nie gefunden! Am Zoll zeigt er dem Beamten, wie das Carnet de Passage auszufüllen ist. Nach drei Stunden geht’s über den Grenzfluß. In der Mitte Kontrolle von Pässen und Visa durch einen chinesischen Soldaten.
Dann sind wir in Tibet! CHINA……
Unser tibetischer Guide Lapsong erwartet uns schon und begleitet uns durch die Zollabfertigung. Uniformiertes Personal weist uns genau ein, wo wir stehen sollen während der Passkontrolle. Dann wird gefragt, ob wir Gepäckstücke haben, was nicht der Fall ist. Das komplette Gepäck der Touristen und Lastenträgerinnen wird durchleuchtet. Danach setzen sich die Frauen hin, legen die Stirnbänder an, gelangen mit Hilfe eines Mannes im Hintergrund auf alle Viere und stehen allein auf!
Nachdem unsere Pässe fertig kontrolliert sind, gehen wir raus und Alex fährt die Minna zur Kontrolle an der Seite des Gebäudes in einen überdachten Bereich. Dort steigen Zollbeamte ein und fragen nach Lebensmitteln. Wir leeren den Kühlschrank. Die Carnets de Passage sollen im nächsten Ort Zhang mu abgestempelt werden. Chinesische Schilder für die Minna und einen chinesischen Führerschein für Alex wird es in Shiagtse, der zweitgrößten Stadt Tibets, geben.
Von der Grenze geht es die Berge wieder hoch. Vor uns und uns entgegen fahren nepalesische LKWs, die meistens Ware zum Mount Everest Base Camp schaffen oder chinesische Waren nach Nepal holen. Immer wieder Gebetsfahnen über der Straße. Es fängt an zu regnen und kühlt deutlich ab. Zhang mu, 2225m, Geschäfte und Hotels mit chinesischer und tibetischer Beschriftung. Wir gehen zusamen essen. Nepalesisch mit Yakfleisch. Gut! Lapsong weist uns ein. Tibet ist so teuer wie Deutschland, da alles herangeschafft werden muß
Er erzählt u.a., dass in Tibet alle 40-50 km Polizei oder Militär die Autofahrer überprüfen. Diese erhalten eine Bescheinigung, in welcher Zeit sie die nächste Kontrollstelle erreichen dürfen. Das ergibt eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 40-50 km/h. Dies soll dazu dienen, die Unfallrate wegen zu hoher Geschwindigkeit zu senken. Laserpistolen hat die Polizei auch.
Wir sollen zwecks Adaptierung an die Höhe im Hotel schlafen. Tun wir. Kalt!
Am nächsten Morgen geht’s durch die Berge nach Nyalam. Wir sehen tiefste Schluchten, Wasserfälle, Rhododendron-Bäume, hohe Bambusbüsche, fahren durch Pinienwälder. Immer wieder überspannen tibetische Fahnen Strassen und Schluchten, ziehen sich die Berge hoch, die Straße ist teils eng, aber ok. Der erste Schnee. Wir treffen Yaks.
Und passieren reichlich Kontrollstellen, bei der Polizei geht Lapsong mit Führerschein und Autopapieren raus. Beim Militär gehen wir mit zur Kontrollstelle.
Und wenn es dann etwas schneller geworden ist, macht man halt eine Pause. Dabei treffen wir einen Dresdner, der sich mit 52 seinen Traum von zumindest einer Anfangsbesteigung des Mount Everest erfüllen möchte.
Der Berg ruft. Uns auch – aber nur zum Anschauen! Er heißt übrigens schon seit langem auf tibetisch Qomolangma und ist eine Sie!
Wir treffen immer wieder Menschen mit Gesichtsmasken. In Nepal wurden sie verständlicherweise wegen des Staubes und der Luftverschmutzung getragen. Hier dienen sie als Kälteschutz. Tibet hat keine Luftverschmutzung und daher den blausten Himmel der Welt (wenn er nicht wolkenverhangen ist…).
In Nyalam, auf 3200m, der nächste Adaptionsstufe, kommen wir vormittags an. Ein kleines Guesthouse. Es ist richtig kalt.
Mittags gibt’s die erste chinesische Nudelsuppe mit Gemüse. Schön warm im kleinen Lokal mit Öfchen.
Wir schaffens mit Gabel und Löffel, Lapsong mit Stäbchen und Trinken aus der Schüssel. Werde ich auch üben. Wir merken die Höhe deutlich und ruhen uns aus. Danach ins Internetcafé. Meine Mails gehen nicht raus. Telefonverbindung klappt nicht.
Wir erkennen, dass unsere Jacken für das Mount Everest Base Camp nicht ausreichen und kaufen uns in einem kleinen tibetischen Laden 2 Daunenjacken. Gleich wird uns wärmer. Schneeregen. Kalt! Wir setzen uns in die Minna, werfen die Heizung an und trinken Tee. Dann noch ein Trainingsspaziergang. Wir würden jetzt nicht joggen wollen! Nach dem tibetischen Abendessen beschließen wir, statt im kalten Hotelzimmer, wie von Lapsong empfohlen, in der Minna zu schlafen. Wir lesen, plötzlich klopft es. Claudine und Antoine aus der Schweiz haben die Minna entdeckt. Und das wird dann wieder so ein besonderer Abend! Die beiden sind seit 2 Jahren Overland Traveller, fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln um die Welt. Sie haben viele Länder in Afrika erlebt, sind mit der transsibirischen Eisenbahn und vielen Unterbrechungen nach Wladiwostok gefahren. Der Weg nach Japan führte über Südkorea, wo sie gleich erst einmal hängengeblieben sind. Waren schon vier Monate in China unterwegs und sehr begeistert davon. Und so weiter und sofort!
Wir werden Kontakt halten!
Dann geht’s weiter höher nach Old Tingri. Die Berge erhalten Schneemützen. Hier wird viel Barley angebaut, eine Getreidesorte, die in diesen Höhenlagen gut gedeiht und ein Hauptnahrungsmittel der lokalen Tibeter darstellt. Wir kommen durch ein Dorf. Schön geschmückte Häuser, alle im gleichen Stil. Da keine Bäume vorhanden sind, wird Dung als Brennstoff gesammelt. Es geht weiter aufwärts.
Dann sind wir oben – 5138m, der Tongla-Paß! Ein kleines Haus, Gebetsfahnen und Gebetsmühlen. Und eine unglaubliche Aussicht auf die umliegenden Berge unter tiefblauem Himmel. Wir sind einfach glücklich.
Danach geht’s wieder runter. Der Schnee zieht sich zurück. Die Berge sind braun und kahl. Wir kommen hin und wieder an den Ruinen uralter tibetischer Militäranlagen vorbei.
Schließlich erreichen wir das Dorf Tingri auf 4339 m Höhe.
Am nächsten Morgen wollen wir zum Base Camp auf 5220 m hoch und dort übernachten, um die Qomolangma entweder abends oder bei Sonnenaufgang bewundern zu dürfen. Schotterstraße, 100km. Wir sind sehr gespannt
Das kleine Guesthouse hat einen warmen Hauptraum. Der Ofen dient links zum Kochen, rechts zum Warmhalten. Geheizt wird unter anderem mit Plastikabfällen. Schön warm! Wer sich setzt, bekommt sofort ein Glas mit grünem Tee vorgesetzt, der aus großen Isolierkannen immer wieder mit heißem Wasser aufgefüllt wird.
Wir ruhen uns aus, machen dann einen Spaziergang durchs Straßendorf. Und erleben Dorfleben. Die Häuser sind einfach schön. Die Tibeterinnen hier tragen lange Röcke, eine bunte Schürze darüber, wenn sie verheiratet sind. Darüber manchmal einen breiten Silbergürtel. Die langen Zöpfe werden zum Kranz um den Kopf geschlungen. Zum Schutz gegen die Sonne ein Tuch darüber oder ein breitkrempiger Hut. Der Solarkocher funktioniert, der Kessel dampft. Die unzähligen Hunde werden offensichtlich gefüttert. Alle? Die Motorräder der Männer sind mit Bändern und Decken dekoriert. Die Männer tragen hier überwiegend das Haar als Zopf um den Kopf geschlungen, mit einem roten Band befestigt. Im Zopf schaukelt oft ein breiter heller Ring. Den Pflug sehen wir später noch oft in Benutzung.
Es wird sehr kalt, der Himmel bezieht sich. Nachts hören wir die Hunde heulen.
Schnee auf der Windschutzscheibe! Der Innenhof, auf dem wir stehen, ist weiss. Alex hat fast gar nicht geschlafen. Beim Morgentee erfahren wir von Lapsong, dass das Basecamp wegen Schnee gesperrt ist! Keiner kommt hoch, oben sitzen alle fest. Wir sind enttäuscht – und ein bisschen erleichtert. Wegen der Minna, wegen uns. Wir merken die Höhe. Wir fahren noch zur Basecamp-Auffahrt, an der Gebetsstelle des Dorfes vorbei. Ente im Schnee. Alles dicht
Weiter geht’s nach Shigatsé, der zweitgrößten Stadt Tibets. Grau, nebelig, kalt. Wir sind zu schnell gefahren. Trostlose Landschaft. Alex begeistert sich für einen mindestens um das Doppelte überladenen LKW. Eine noch benutzte Brücke?
Nach drei Stunden haben wir den Datsola-Pass erreicht, der mit 5285 noch höher als das M.Ev.-Basecamp ist. Kein blauer Himmel! Wieder runter, die Landschaft mit Fluß noch mit Schnee überzogen. Auf 4900m begegnen wir Nomaden mit Lasten-Yaks. Es fängt an zu regnen. In einem Tal ein Yak-Gespann vor dem Pflug, der schon in Tingri verkauft wurde.
Die Straße steigt wieder an. Hoch bis zum Tsolga-Pass, 4553m. Fahnen immer auf den höchsten Bergen. Danach fahren wir durch lange durch eine Ebene, von Bergen umgeben.
Es ist Frühling, die Felder werden bestellt. Das erste Grün auf den Bäumen. Wir erreichen Shigatsé.
Shigatse hat 600 000 Einwohner, ein berühmtes Kloster, breite Alleen, moderne Autos und Busse, jede Menge SUVs und 4x4s. Uns fallen VW-Santanas auf. Dazu kommt eine erstaunliche Anzahl von Elektrotransportfahrzeuge, vom Mofa bis zum Dreirad mit Ladefläche. Dazwischen tauchen gelegentlich Pferdegespanne auf. Hier blühen schon die japanischen Kirschen.
Morgens zieht Lapsong los, um Alex’ chinesischen Führerschein und das chinesische Nummerschild zu besorgen. Er kommt bald zurück. Neue gesetzliche Vorschrift: die Minna muß zum chinesischen „TÜV“. Wir fahren hin. Das Moppi muß runter. In China müssen Transportfahrzeuge alle 4 Monate zur Kontrolle, alle anderen Autos jedes Jahr. Licht, Bremsen und Räder werden überprüft. Da wir den ganzen Tag damit beschäftigt sind und die chinesischen Unterlagen noch fehlen, müssen wir uns bei der Polizei die Aufenthaltsgenehmigung verlängern lassen.
Am nächsten Morgen will Lapsong die Unterlagen besorgen. Plötzlich kommt er und muß Alex zum Bodycheck wegen seines Alters abholen. Größe und Augen werden kontrolliert. Alles ok. Wir frühstücken weiter.
Lapsong kommt zurück mit der Information, dass Menschen über 60 Jahre in China nicht mehr Autofahren dürfen. Ausnahmegenehmigungen gibt es, können aber nur beim Passieren der mongolischen Grenze, jedoch nicht in Tibet augestellt werden. Wir sind schon 500 km nach Tibet reingefahren.
Telefonat mit unserem chinesischen Reisebüro, die uns diese nicht unwichtige Info ja vorenthalten hatten. Wir brauchen einen Fahrer für ganz China, da wir sonst keine Versicherung mehr haben. Kosten sollen geteilt werden. Am liebsten wäre es dem Reisebüro, wenn wir nach Nepal zurückkehren würden (Beantragung der neuen Reiseroute in China, Dauer 1-2 Wochen). Ein Fahrer mit Genehmigung für unser Auto und ganz China ist schwer zu finden.
NEIN! Wir wollen unsere große Reise durchziehen und nicht umkehren! Lapsong findet einen Fahrer. Das Reisebüro akzeptiert. Wir werden unsere Reise nun zu viert durch Tibet und Ostchina fortsetzen!
Wir besichtigen das Tashilhunpo Kloster, mit 700.000 m2 eines der größten Tibets. Es wurde im 15. Jahrhundert gegründet. Hier befindet sich die weltgrößte Statue eines sitzenden vergoldeten Buddhas Maitreya (der Zukunft) aus Bronze, 27m hoch, die auch aus der Gründungszeit stammt.
Das Kloster besteht aus einer Versammlungshalle, in der die Mönche sich zum gemeinsamen Gebet treffen, der riesigen vergoldeten Stupa des 10. Panchen Lamas, nach dem Dalai Lama die höchste Instanz der buddhistischen Tibeter und zahlreichen weiteren Kapellen, die kostbare religiöse Relikte enthalten. Dazu unzählige Wohngebäude für die hier lebenden Mönche – 1000 insgesamt früher waren es 6000. Viele Menschen – fast alle in traditioneller Tracht – beten hier, umschreiten die verschiedenen Gebäude, sich alle zwei Meter niederwerfend. Es herrscht eine Stimmung tiefer Andacht. Wir wandern durch die Gassen mit den alten Gebäuden, bewundern die Statuen und Stupas und hören plötzlich lautes Reden. Alle 2-3 Wochen finden philosophische Diskussionen der jungen Mönche des Klosters statt die mit voller Lautstärke und Körpereinsatz durchgeführt wird. Ansonsten haben sie sich ja angemessen zu verhalten.
Vor dem Kloster sitzen die Menschen in der Sonne. Frauen jeder modischen Ausrichtung. Besonders wichtig sind Kopfbedeckungen gegen die starke Sonne. Genießen ein Glücksspiel mit selbstgemachten Wein aus dem Barley-Getreide.
Morgen geht’s nach Lhasa.